Musikkassetten
Die Kompakt- Musik- oder Audiokassette wurde 1963 zusammen mit dem passenden Abspielgerät von der niederländischen Firma Philips als Neuheit auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin vorgestellt.
Als Diktierband gedacht, wurde die Audiokassette vor allem von Jugendlichen bald als billiges Medium genutzt, um mit dem Mikrophon des Kassettenrekorders Musik aus dem Radio aufzunehmen, Platten zu überspielen und die Musik auf diese Weise untereinander auszutauschen. Kombigeräte mit Radio und bald auch Stereogeräte machten das im Laufe der Zeit immer komfortabler und qualitätvoller. Zudem gab es (bereits zum Ende der 1960er Jahre!) Autoradios mit der Möglichkeit, Kassetten abzuspielen. Als dann 1979 der Walkman von Sony herauskam, führte das zu einem weiteren Boom der Musikkassette: überall und in jeder Situation wurde das Hören der eigenen, selbst zusammengestellten Lieblingsmusik nun möglich.
Kassetten fanden auch Anwendung am Heimcomputern und speicherten mit Hilfe der Datasette Programme und Spiele in Form von akkustischen Signalen. Ständig wurden sie weiterentwickelt, neue Bandsorten und Rauschunterdrückungsverfahren versuchten, die Qualität der Aufnahme zu verbessern und Verfahren wie Dolby Störgeräusche immer weiter zu eliminieren. Trotzdem war irgendwann Schluss: Das Digital Audio Tape (DAT), die Mini Disc (MD) und die Compact Disc (CD) waren die Nachfolger, die klassische Musikkassette wird heute vor allem durch die Leidenschaft vieler Retrofans am Leben gehalten.
Wir überspielen Musikkassetten der guten alten Art, egal ob sie nun auf Normal-, Chrome- oder Metallgand, mit Dolby B, Dolby C oder ohne Rauschunterdrückung aufgenommen worden sind und wandeln die Bandaufnahmen in MP3- oder Wave-Einzeltracks um, so dass sich jedes Lied bzw. jeder Track der Aufnahme in einer eigenen Datei wiederfindet.
Das hier abgebildete Cassettophon der Firma Philips aus Eindhoven (NL) ist ein technisch sehr einfacher Monokassettenrekorder im Pop-Design der 1970er Jahre. Er steht exemplarisch für eine Zeit, in der viele zum ersten Mal ihre eigenen Hits zuhause für sich aufnehmen konnten, meistens per Mikro vom Radio- und Plattenspielerlautsprecher abgenommen. Überspielkabel mit 3- oder 5-Pol-Steckern waren selten und die meisten billigen Geräte verfügten gar nicht über solche Anschlüsse. Das verlustfreie Übertragen von Musik auf Bänder war gar nicht vorgesehen, die Musikindustrie wollte natürlich ihre Schallplatten an den Mann bringen. In den Radiosendungen der 70er Jahre wurde deshalb auch von den Moderatoren absichtlich in den Vor- oder Abspann der Musikstücke hineingeredet oder der Song später ein- und früher ausgeblendet, um eine 1zu1 Kopie ohne den Kauf des Tonträgers zu verhindern.
Freilich störte das niemanden, denn die Ansprüche, besonders die der heranwachsenden Jugendlichen, waren ganz andere und nicht an technischer Perfektion orientiert. Man nahm die Moderation einfach mit auf Band oder schnitt gleich die ganze Sendung mit. Es ging darum, an der Musik und an der Szene teilzunehmen, dabei zu sein und anderen mit seinen Aufnahmen zu zeigen, wie "in" man war. Was es hörästhetisch am Ende tatsächlich bedeutete, die erste eigene Musik mit Hilfe eines schlechten, einfachen Mikrophons vom Lautsprecher eines Dampfradios in einen Mono-Kassettenrekorder mit einem billigen Breitbandlautsprecher zu überspielen und die nach heutigen Gesichtspunkten unterirdische Soundqualität weder wahrzunehmen noch sich an dem ohrenbetäubenden Rauschen zu stören, das erschließt sich nur über das persönliche Erleben derjenigen, die das mitgemacht haben und darüber erzählen können.